Wie Nervenzellen und die Informationsvermittlung funktionieren
Ziemlich verrückt: Unsere Sinneseindrücke, Bewegungen, Gedanken, Erinnerungen und Gefühle sind das Ergebnis von Signalen, die von einer Nervenzelle zur anderen übertragen werden. Und unser Bewusstsein ist nichts anderes als die elektrische und chemische Aktivität in einem gigantischen Netzwerk aus Milliarden von Nervenzellen. Wie das sein kann, können wir dir auch nicht erklären – wie eine Nervenzelle funktioniert, schon.
Was ist ein Neuron?
Nervenzellen, auch Neuronen genannt, sind die Grundeinheiten unseres Nervensystems: lebende Zellen, die darauf spezialisiert sind, Informationen aufzunehmen, weiterzuleiten und zu verarbeiten. Viele Milliarden solcher Nervenzellen bilden in unserem Gehirn ein hochkomplexes und extrem leistungsfähiges sogenanntes neuronales Netzwerk – oder eigentlich mehrere miteinander verschaltete Netzwerke. Diese neuronalen Netzwerke machen sich mit Hilfe unserer Sinnesorgane ein Bild von unserer Umgebung, speichern unser Wissen, treffen Entscheidungen und steuern unseren Körper.
Wie aus riesigen Netzwerken von Nervenzellen Gedanken, Gefühle und Meinungen, Pläne und Erinnerungen, Ich-Gefühl und Bewusstsein entspringen können, das gehört wohl zu den letzten großen Rätseln der Welt. Aber darüber, wie einzelne Nervenzellen funktionieren, und auch darüber, wie sie sich im Zusammenspiel mit anderen Neuronen verhalten, sind wir immerhin schon ziemlich gut im Bilde.
Wie funktioniert eine Nervenzelle?
Der Aufbau einer Nervenzelle umfasst den zentralen Zellkörper, das Soma und mehrere Fortsätze, die Dendriten und das Axon. Im Soma finden Energiestoffwechsel und Proteinsynthese der Zelle statt. Die Fortsätze dienen dazu, Nervenimpulse weiterzuleiten und Kontakt mit anderen Nervenzellen, Muskelzellen oder Sinneszellen aufzunehmen.
Dendriten und Axon – Inbox und Outbox eines Neurons
Als Dendriten werden die meist eher kurzen, fein verästelten Fortsätze bezeichnet, über die eine Nervenzelle Informationen von anderen Nervenzellen oder Sinneszellen erhält – also sozusagen die Inbox der Zelle.
Axone sind dagegen die oft dickeren Fortsätze, über die Informationen an andere Nervenzellen oder Muskelzellen weitergeleitet werden. Axone müssen nicht sehr lang sein, können im Körper aber durchaus auch erhebliche Strecken zurücklegen. Lange Axone finden sich zum Beispiel im Ischiasnerv – sie reichen von der Wirbelsäule bis zum großen Zeh!
Entlang der Dendriten und Axone werden Informationen als elektrische Impulse weitergeleitet – gar nicht so grundlegend anders als in einem Computer. Damit das noch schneller geht, haben Axone eine sogenannte Myelinscheide – eine isolierende Ummantelung mit kleinen Aussparungen, die sprungweise Informationen leiten können.
Synapsen: Kontaktstellen zwischen zwei Neuronen
Die Kontaktstellen, an denen die Axone einer Nervenzelle auf die Dendriten einer anderen Nervenzelle treffen, werden Synapsen genannt. Über solche Synapsen sind alle Nervenzellen unseres Körpers miteinander verknüpft.
An den meisten Synapsen gibt es zwischen Axon und Dendrit einen kleinen Spalt, der die elektrische Informationsweitergabe zwischen den zwei Neuronen unterbricht. Deshalb werden hier elektrische in chemische Signale umgewandelt: Die Endung des Axons setzt sogenannte Neurotransmitter frei. Das sind Botenstoffe, die den synaptischen Spalt überwinden, am Dendriten des nächsten Neurons andocken und dort wiederum ein elektrisches Signal triggern.
Wie entstehen die elektrischen Signale?
Die Funktion der Nervenzelle basiert auf ihrer Fähigkeit, elektrische Signale zu erzeugen und weiterzuleiten. Diese elektrischen Signale entstehen durch Ionenkanäle in der Zellmembran der Neuronen, die im geöffneten Zustand elektrisch geladene Natrium-, Kalium- und Chloridionen passieren lassen und so die zwischen Zellinnerem und Zelläußerem anliegende elektrische Spannung verändern. An den Synapsen öffnen sich die Ionenkanäle durch das Andocken der Neurotransmitter. Weiter entlang der Dendriten sowie im Bereich von Soma und Axon enthält die Zellmembran sogenannte spannungssensitive Ionenkanäle, die sich in Antwort auf die veränderte Membranspannung öffnen und so das Signal weitertragen.
Wie Neuronen unser Gehirn steuern
Damit unser Gehirn nicht im eigenen Saft schmort, gibt es spezielle Neuronen, die es mit der “Außenwelt“ unseres Körpers verbinden: die sensorischen Neuronen und die Motoneuronen.
Sensorische Neuronen: Ein Netz von Informanten
Sensorische Neuronen erheben permanent Informationen über die Außenwelt und den Zustand unseres Körpers. Diese speziellen Nervenzellen sind den Rezeptorzellen unmittelbar nachgeschaltet. Rezeptorzellen können Licht, Töne, Temperatur, Geschmack und Geruch, Berührungen, Druck oder chemische Reize wahrnehmen, in elektrische Impulse umwandeln und an die sensorischen Neuronen weitergeben.
Sensorische Neuronen finden sich überall dort, wo der Körper an die Außenwelt grenzt: in der Haut, in Augen, Ohren, Nase und Mund. Aber nicht nur dort: Auch im Inneren des Körpers sammelt das Gehirn mittels sensorischer Neuronen Informationen – zum Beispiel über Blutdruck, Blutzucker oder Füllstand der Blase.
Motoneuronen: Jetzt kommt Bewegung in die Sache
Motoneuronen sind sozusagen die “rechte Hand“ unseres Gehirns: Sie führen aus, was dort beschlossen wurde – ihre Axone haben Kontakt mit Muskel- und Drüsenzellen. Auf Weisung des Gehirns setzen sie willkürlich und unwillkürlich arbeitende Muskeln in Bewegung und aktivieren Drüsen, die zum Beispiel Verdauungsenzyme, Schweiß oder Hormone produzieren.
Die meisten Nervenzellen unseres Körpers sind aber weder sensorische noch Motoneuronen.
Interneuronen: Hier passiert die Magie
Interneuronen machen etwa 90 Prozent der Zellen in unserem Nervensystem aus: Sie bilden die zwischen sensorische und motorische Neuronen geschalteten komplizierten neuronalen Netzwerke.
Interneuronen sind untereinander intensiv verschaltet – eine Nervenzelle im Gehirn summiert im Schnitt Informationen von um die 1000 Synapsen. Dabei gibt es „wichtige“ und „weniger wichtige“ Synapsen, deren Input unterschiedlich bewertet wird, und sogar Synapsen, die keinen erregenden, sondern einen hemmenden Effekt haben. Die diesbezüglichen Eigenschaften von Synapsen können sich verändern. Solche Veränderungen sind ganz wesentliche Bestandteile von Lernprozessen.
Interneuronen sind in Zentren mit spezialisierten Aufgaben organisiert. So dient etwa der visuelle Cortex der Verarbeitung der über den Sehnerv von den sensorischen Neuronen in der Netzhaut unserer Augen kommenden Nervensignale zu einem räumlichen Seheindruck. Der visuelle Cortex schickt selbst wiederum Informationen zum Beispiel an den Hippocampus, wo visuelle Daten mit anderen Sinneseindrücken zu vollständigen Wahrnehmungen kombiniert und als Kurzzeitgedächtnis-Inhalte gespeichert werden. Ergibt sich aus dem Gesehenen ein Handlungsbedarf, wird dieser über den motorischen Cortex, die Schaltzentrale für Muskelbewegungen, umgesetzt, und die Motoneuronen treten in Aktion.
Auf einen Blick
- 01.
Neuronen als Informationsvermittler. Sie sind die Grundbausteine des Nervensystems und ermöglichen die Aufnahme, Weiterleitung und Verarbeitung von Informationen im Gehirn. Sie bestehen aus Dendriten (Eingang) und Axonen (Ausgang), die elektrische Signale weiterleiten.
- 02.
Sensorische Neuronen sammeln Informationen aus der Umgebung und dem Körper, während Motoneuronen Befehle des Gehirns an Muskeln und Drüsen weiterleiten. Interneuronen verbinden beide und ermöglichen komplexe Verarbeitungsprozesse im Gehirn.
- 03.
An den Synapsen erfolgt die Kommunikation zwischen Neuronen durch die Umwandlung elektrischer in chemische Signale, die von Neurotransmittern übertragen werden. Dies ermöglicht die Weitergabe von Informationen im neuronalen Netzwerk.