Warum Saftkuren oft nichts bringen – und welche Alternativen es gibt
Braucht der Körper wirklich Saftkuren, um zu entgiften und den Darm zu reinigen? Ernährungswissenschaftler haben eine klare Antwort: Niemand braucht Saftkuren. Und es gibt deutlich bessere Alternativen.
Ein Reset für den Körper – das sollen Saftkuren sein. Die Detox-Kur soll den Körper von Schadstoffen befreien und dabei auch noch besonders darmfreundlich sein und die Verdauung entlasten.
Saftkuren erfreuen sich großer Beliebtheit und werden als effektive Kur für Detox und Darmreinigung beworben. Was sich zunächst vielversprechend anhört, entpuppt sich bei genauerer Betrachtung jedoch als zweifelhaft bis unnötig.
Auf einen Blick
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Saftkuren sind kurzfristige einseitige Ernährungsweisen, bei denen ausschließlich Obst- und Gemüsesäfte konsumiert werden. Die Ziele: Entgiftung und Gewichtsverlust sowie ein Reset, der als Startschuss für eine Ernährungsumstellung dienen soll.
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Es gibt keine wissenschaftlichen Belege für die beworbenen Vorteile von Saftkuren. Dafür gibt es wissenschaftliche Studien, die aufzeigen, dass es Saftkuren oft an wichtigen Nährstoffen fehlt: Vitaminen, Mineralstoffe, Ballaststoffen, Protein und gesunden Fetten.
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Die zu hohe Zuckerzufuhr während einer Saftkur kann negative Effekte auf das Darmmikrobiom haben. Das extreme Kaloriendefizit kann zwar zu kurzfristigem Gewichtsverlust, aber auch zu unerwünschtem Muskelabbau führen. Es gibt deutlich bessere Alternativen zu einer Saftkur.
Was sind Saftkuren und welche Vorteile werden beworben?
Erwägst du eine Saftkur, um ein paar Kilos loszuwerden und zu entgiften? Kein Wunder, denn die vollmundigen Versprechen einer schnellen Gewichtsabnahme und Entgiftung klingen überzeugend.
Bevor du jedoch deine Ernährung so radikal umstellst, ist es wichtig, die physiologischen Mechanismen hinter Saftkuren und ihre tatsächlichen Auswirkungen zu verstehen.
Eine Saftkur dauert meist 3 bis 7 Tage, währenddessen du nur Obst- und Gemüsesäfte anstatt fester Nahrung zu dir nimmst. Statt Müsli gibt es zum Frühstück dann einen Gemüsesaft und einen Frucht-Shot. Klingt erstmal gar nicht so verkehrt.
Wer sich für eine Saftkur entscheidet, hat oft zwei Ziele: den Körper entgiften und Gewicht verlieren. Diese Ziele werden als “Startschuss” für eine Veränderung der Ernährungsgewohnheiten angepriesen, als sogenannter Reset.
Die Grundannahme hinter Saftkuren ist: Der Körper braucht hin und wieder eine Pause, um sich von Schadstoffen und Chemikalien zu reinigen. Nur Obst- und Gemüsesaft zu trinken, soll zudem besonders schonend für die Verdauung sein und auch ihr eine wohlverdiente Pause bieten. Denn schließlich soll auch der Darm mit Säften zumindest gereinigt, wenn nicht sogar entgiftet werden.
Was zunächst vielversprechend klingt, ist leider wenig gehaltvoll. Denn es fehlen wissenschaftliche Belege für den Effekt solcher Saftkuren. Und den Obst- und Gemüsesäften fehlt es an wichtigen Nährstoffen, während sie unerwünschte Substanzen im Übermaß liefern.
Zu viel Zucker in zu kurzer Zeit
Eine typische Saftkur liefert pro Tag 120 bis 180 g Zucker. Damit liegt die täglich Zuckerzufuhr 2- bis 3-mal höher als die empfohlene Höchstmenge der Deutschen Diabetes Gesellschaft sowie der Deutschen Gesellschaft für Ernährung. Auch internationale Fachgesellschaften sprechen sich für eine Höchstmenge von 50 g freiem Zucker pro Tag aus, um negativen Folgen eines hohen Zuckerkonsums vorzubeugen.
Unter freiem Zucker verstehen Fachgesellschaften einerseits den Zucker, der Lebensmitteln zugesetzt wird. Aber auch Zucker, der natürlich in Honig, Fruchtsaftkonzentrat und Fruchtsäften vorkommt. Zucker aus ganzen Lebensmitteln (z. B. Apfel oder Organe) zählt nicht dazu.
Das heißt: Zucker, der natürlich in Obst- und Gemüsesaft enthalten ist, zählt auch zum freien Zucker. Und zwar deshalb, weil beim Entsaften wichtige Bestandteile von Obst und Gemüse entfernt werden (z. B. Ballaststoffe), die die Verstoffwechslung von Zucker begünstigen und die negativen Effekte von freiem Zucker abfedern. So können freie Zucker den Blutzuckerspiegel rasch in die Höhe schießen lassen, wenn Ballaststoffe in der Ernährung fehlen. Und das wiederum kann zu Insulinresistenz und sogar Diabetes mellitus führen.
Bei einer 7-tägigen Saftkur würde der Körper mit derselben Zuckermenge belastet, die laut Fachgesellschaften innerhalb von 25 Tagen höchstens konsumiert werden sollte. Das ist für eine “Entgiftungskur”, die dem Körper guttun soll, eindeutig zu viel.
Ballaststoffe fehlen bei einer Saftkur
Der Verarbeitungsschritt, der einen frischen Apfel von Apfelsaft unterscheidet, ist das Entsaften. Bricht man das Entsaften auf seine Kernfunktion herunter, handelt es sich dabei um das Trennen der flüssigen und festen Bestandteile eines Lebensmittels. Das heißt: Mit dem Entsaften verabschieden wir uns von den Ballaststoffen.
Das erkennst du ganz einfach, wenn du dir den Ballaststoffgehalt von Säften in deren Nährwerttabelle anschaust. Dort steht dann meist eine ernüchternde Null bei den Ballaststoffen. Die meisten Säfte enthalten, wenn überhaupt, nur noch Spuren der wertvollen Ballaststoffe aus dem ganzen Obst oder Gemüse.
Bei einer 7-tägigen Saftkur bekommt der Körper also viel Flüssigkeit, aber keine nennenswerten Mengen Ballaststoffe. Da die Saftkur keine langfristige Ernährungsweise ist, werden keine gesundheitlichen Folgen wie Begünstigung von Diabetes mellitus erwartet. Jedoch kann auch schon der kurzfristige Verzicht auf Ballaststoffe unangenehme Effekte auf die Verdauung haben, da Ballaststoffe das Futter der Bakterien im Darmmikrobiom sind.
Fehlende Vitamine und Mineralstoffe bei einer Saftkur
Obst und Gemüse sind zwar reich an Mikronährstoffen, einige Vitamine und Mineralstoffe gehen jedoch verloren, wenn man nur den Saft trinkt. Außerdem gibt es kritische Nährstoffe, die in Obst- und Gemüsesäften vollständig in relevanten Mengen fehlen.
1. Vitamin B12
Vitamin B12 ist essentiell fürs Immunsystem, den Energiestoffwechsel und das Nervensystem.⊕⊕ Das Vitamin ist vor allem in tierischen Lebensmitteln enthalten, also ohnehin schon nicht in Obst und Gemüse. Während Säfte andere Mikronährstoffe wie Vitamin C liefern können, fehlt es ihnen an wichtigen Vitaminen wie Vitamin B12. Wenn die Ernährung über mehrere Tage hinweg nur aus Säften besteht, dann fehlt zumindest in dieser Zeit Vitamin B12 vollständig. Bei einem kritischen Vitamin B12-Status vor einer Saftkur kann das auch zu Mangelerscheinungen führen, wenn kein entsprechender Vitamin-B12-Vorrat vorhanden ist.
2. Calcium, Magnesium, Zink
Obst und Gemüse ist auch im intakten Zustand nicht die beste Quelle für wichtige Mineralstoffe und Spurenelemente. Dazu gehören vor allem Calcium, Magnesium und Zink, die in den meisten Obst- und Gemüsesorten ohnehin nur in geringen Mengen oder gar nicht vorkommen. Bei einer Saftkur kann es hier zu einer Unterversorgung kommen.
3. Vitamin E
In Obst ist Vitamin E vor allem in den fettlöslichen Strukturen enthalten, vor allem in den Ölen und fetthaltigen Teilen der Früchte (z. B. Kerne). Bei Gemüsen sitzt es auch in der Zellmembran, also in den festen Teilen von Gemüsesorten wie Süßkartoffeln und Brokkoli. Durch das Entsaften gehen bedeutende Mengen des fettlöslichen Vitamins verloren, die im ganzen Lebensmittel noch enthalten sind. Außerdem sind Säfte fettarm. Wenn keine Fette über andere Lebensmittel aufgenommen werden, verschlechtert sich die Aufnahme fettlöslicher Vitamine (Vitamine E, D, K, A).
Proteine und Fette fehlen bei Saftkuren
Proteine und Fette liefern essentielle Baustoffe: Aminosäuren aus Proteinen sowie Fettsäuren aus Nahrungsfett. Viele pflanzliche Lebensmittel liefern gut verfügbares Eiweiß und gesunde Fette, darunter Hülsenfrüchte, Nüsse und Samen. Bis auf wenige Ausnahmen (z. B. Avocado) sind Früchte keine besonders gute Protein- oder Fettquelle. Bei Gemüse verhält es sich ähnlich.
Die ohnehin geringe Menge an lebensnotwendigen Proteinen und Fettsäuren reduziert sich in Säften auf nahezu Null. Ein typischer Saft enthält weder Eiweiß noch Fett in relevanten Mengen.
Ist Saft ein kleiner Teil der normalen Ernährung, fällt dieser Mangel kaum ins Gewicht, da andere Lebensmittel Eiweiß und Fettsäuren liefern. Besteht die Ernährung für mehrere Tage bis zu einer Woche jedoch nur aus Obst- und Gemüsesäften, bekommt der Körper keine Baustoffe in Form von Aminosäuren und Fettsäuren.
Da bei einer typischen Saftkur nur 700-800 kcal pro Tag aus Saft aufgenommen werden, entsteht ein extremes Kaloriendefizit von mehreren hundert bis über tausend Kalorien pro Tag – je nach Energiebedarf. In einem solchen Stoffwechselzustand kann es auch innerhalb kurzer Zeit zu Muskelabbau kommen, da der Körper das extreme Energiedefizit ausgleicht und dafür sogar an seine Muskelreserven geht.
Dieses hohe Kaloriendefizit kann vorübergehend natürlich zu Gewichtsverlusten von mehreren Kilos innerhalb weniger Tage führen. Nachhaltig oder gesund ist dieser Gewichtsverlust jedoch nicht, wenn prozentual viel Muskelmasse verloren wird, was langfristig negative Effekte auf den Stoffwechsel hat.
Purzelnde Kilos: Kurzfristiger Effekt ohne nachhaltige Wirkung
Bei einem so extremen Kaloriendefizit wie es bei einer Saftkur der Fall ist, überrascht der rasche Gewichtsverlust nicht. In wenigen Tagen werden oft 3, 5 oder sogar mehr Kilos verloren. Doch wer glaubt, das alles sei Körperfett, der hat die Rechnung ohne die Physiologie des menschlichen Körpers gemacht.
Der Gewichtsverlust von 1 bis 3 Kilo in den ersten 3 Tagen einer Saftkur setzt sich maßgeblich zusammen aus:
- Abbau der Glykogenspeicher (gespeicherte Kohlenhydrate in Muskeln und Leber, die Wassermoleküle binden)
- Erhöhte Harnausscheidung über die Nieren und schließlich Urin aufgrund des hohen Wassergehalts von Säften
- Reduzierter Darminhalt aufgrund des Verzichts auf feste Nahrung
Ein Kaloriendefizit von durchschnittlich 800 bis 1500 kcal pro Tag führt zu massiven “Sparmaßnahmen” des Körpers. Die basale Stoffwechselrate sinkt. Das heißt: Der Energieumsatz in Ruhe wird heruntergefahren, um mit dem hohen Energiedefizit klarzukommen.
Zudem werden die Reserven mobilisiert. Das ist zwar zu einem Teil Körperfett (je nach Körperfettanteil mehr oder weniger). Aber das sind vor allem auch: Glykogen, also gespeicherte Kohlenhydrate in Muskeln und Leber sowie Aminosäuren aus den Proteinen in der Muskulatur.
Vor allem der ungewollte Muskelabbau wegen des zu hohen Kaloriendefizits und einer mangelnden Proteinzufuhr ist problematisch. Denn Muskulatur ist der wichtigste Faktor für einen aktiven Stoffwechsel (genauer gesagt: Ruheenergieumsatz). Bei einer Saftkur von 3 bis 7 Tagen wirst du zwar nicht die Hälfte deiner Muskelmasse verlieren, solltest dir aber darüber im Klaren sein, dass ein solches Kaloriendefizit kein Dauerzustand sein sollte. Außerdem ist es sinnvoll, den ungewollten Muskelabbau zu minimieren, z. B. durch die zusätzliche Einnahme von hochwertigem Protein.
Es gibt keine Studien, die die Wirkung von Saftkuren bestätigen
Die vollmundigen Behauptungen, der Körper bräuchte eine regelmäßige Entgiftung in Form einer Saftkur, sind wissenschaftlich nicht belegt.⊕ Schlimmer noch: Aktuelle Forschung ⊕ aus 2025 deutet auf negative Effekte auf das Mikrobiom.
Bereits nach 3 Tagen Saftfasten beobachtete eine internationale Forschungsgruppe signifikante Anstiege von Bakterien, die mit Entzündungen in Verbindung gebracht werden. Proband:innen, die ausschließlich Saft konsumierten, zeigten die stärksten negativen Veränderungen im oralen Mikrobiom und der Darmflora.
Als mögliche Gründe nennt die Forschungsgruppe den hohen Zuckergehalt sowie das Fehlen von Ballaststoffen bei Saftkuren.
Im Schnitt mehr als 10x: AG1 steigert klinisch nachweislich gute Darmbakterien.ᵃ⁻ᶜ
Was sind bessere Alternativen zur Saftkur?
Eine Saftkur wird in den meisten Fällen keine schwerwiegenden Folgen nach sich ziehen. Besondere Vorteile solltest du dir jedoch ebenfalls nicht erhoffen. Denn dafür gibt es schlichtweg keine wissenschaftlichen Belege. Als Startpunkt einer Ernährungsumstellung kann eine Saftkur zwar hilfreich sein, sie sollte aus ernährungsphysiologischer Sicht aber maximal 5 Tage dauern und eine einmalige Sache sein – kein regelmäßiges Ritual. Und es gibt bessere Alternativen.
Wenn dein Ziel ist, den Körper zu entgiften, dann kannst du ganz beruhigt sein: Der Körper ist ein komplexes, fein abgestimmtes Ökosystem, das jeden Tag selbst entgiftet– vor allem dank Nieren, Leber und Darm. Dafür brauchst du keine Saftkur.
Und wenn dein Ziel ist, ein paar Kilos abzunehmen und zu deinem Wohlfühlgewicht zu finden, gibt es wissenschaftlich belegte Alternativen zu einer solchen Crash-Diät, die eine Saftkur mit hohem Kaloriendefizit letztendlich ist:
- Eine ausgewogene Ernährung, die hochwertige Proteine, gesunde Fette (v.a. ungesättigte Fettsäuren wie DHA und EPA), Ballaststoffe und Mikronährstoffe liefert
- Regelmäßig Sport treiben: eine Mischung aus progressivem Krafttraining und Ausdauersport sowie Alltagsbewegung (z. B. Spaziergänge)
- Moderates Kaloriendefizit zwischen 300 und 500 kcal pro Tag
- Auf eine gesunde Schlafroutine achten
- Stressbewältigungsmaßnahmen
- Bewusste Verhaltensänderungen und langfristige gesunde Routinen etablieren
Im Gegensatz dazu bietet eine Saftkur:
- Extreme Kalorienrestriktion (oft 50–70 % unter dem Energiebedarf)
- Einseitige Makronährstoffe (viel Zucker, minimal Protein, kaum Fett)
- Fehlende Ballaststoffe
- Einseitige Versorgung mit Mikronährstoffen (es fehlen u. a. Vitamin B12, Calcium, Magnesium, Zink, Vitamin E)
- Kein strukturierter Ansatz für körperliche Aktivität oder Verhaltensänderung
- Kurzfristige Kur statt nachhaltige Veränderung der Gewohnheiten
Wir glauben: Wer langfristige Effekte will, darf nicht auf kurzfristige Wunder hoffen. Sondern muss Verantwortung für die eigene Gesundheit übernehmen und Tag für Tag wenige, aber wichtige Entscheidungen für die Gesundheit treffen.
Wenn du mehr über neue Routinen und die ganzheitliche Versorgung mit Nährstoffen lernen willst, lies hier weiter:
Quellen
Jan Rein
Ökotrophologe, Ernährungsökonom und Buchautor
Jan Rein ist Ökotrophologe, Ernährungsökonom und Buchautor. Der Ernährungsexperte teilt sein Wissen rund um Nährstoffe, Darmgesundheit und Stoffwechsel jede Woche im Podcast "Heißer Brei". 2017 erschien sein Reizdarm-Ratgeber "Das Pups-Tabu: Was wirklich gegen Blähungen hilft – und dem Darm guttut" und 2024 das Buch "Proteine: Warum brauchen wir mehr Eiweiß?"
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